Die Ratte – biologisch gesehen

Skelettaufbau einer Ratte

Ratten gehören zur größten Säugetierordnung überhaupt, den Nagetieren (Rodentia). Hierbei gibt es mehrere Unterordnungen. Bei den Myomorpha, die keine natürliche Einheit bilden, gibt es zwei Familien, die Wühler (Cricetidae) und die Mäuse (Muridae). Letztere werden wiederum unterteilt in mehrere Unterfamilien, unter anderem in Echte Mäuse (Murinae), zu denen Mäuse und auch Ratten zählen. Biologisch gesehen sind Ratten also große Mäuse. In Mitteleuropa gibt es zwei Arten der Gattung Rattus: Die Hausratte (Rattus rattus), die nahezu ausgerottet ist, und die Wanderratte (Rattus norvegicus). Sämtliche, heute bei uns lebenden Heimtier-Ratten und die Laborratten stammen von der Wanderratte ab !

Der Grund für die ambivalente Beziehung der Ratten zum Menschen liegt darin, dass sie wie der Mensch in höchstem Maße anpassungsfähig sind. In dieser Fähigkeit liegen Interessenkonflikte, denn dem in alle Regionen der Erde vordringenden Menschen folgen hartnäckig und unweigerlich auch die Ratten, als Kulturfolger und (Nahrungs-) Konkurrenten. Die Anpassungsfähigkeit der Ratten (und auch anderer Nagetiere) hängt teilweise damit zusammen, dass sie entwicklungsgeschichtlich eine verhältnismäßig junge Tiergruppe sind (zwischen 26 - 38 Millionen Jahre alt) und über unverbrauchte genetische Reserven verfügen. Unter veränderten Umweltbedingungen sind Nagetiere fähig, schnell die, für das Überleben der Art, passende genetische Kombinationen zu entwickeln. Ein zweiter Aspekt ihres Erfolges ist das vielfältige Nahrungsspektrum. Nagetiere haben die menschliche Geschichte und Entwicklung stärker als jede andere Säugetiergruppe beeinflusst, da sie fast jeden Lebensraum erobert haben und vielfach in enger Verbindung mit dem Menschen leben.

 

Körperbau:

Der Körper der Wanderratte (20 - 28 cm) ist robuster als der der Hausratte (15 - 23 cm), der Schwanz ist etwa so lang wie der Körper (17 - 23 cm) und entgegen der weitläufigen Meinung leicht behaart und mit Schuppenringen (160 - 205) versehen. Er kann beim Klettern zum Festhalten eingesetzt werden. 

Bei der Hausratte ist der Schwanz etwas länger als der Körper 

(17 - 25 cm mit 220 - 290 Schuppenringen). 

Die Schnauze der Wanderratte läuft stumpf zu, die der Hausratte eher spitz. Die Ohren der Hausratte sind im Verhältnis zu den Ohren der Wanderratte größer und mit wenig Haaren besetzt. Im Grossen und Ganzen sieht die Hausratte eher wie eine zu groß geratene Maus aus, die Wanderratte hat jedoch eine sehr ausgeprägte Kyphose (Wirbelsäulenkrümmung). 

Weitere Unterschiede sind die Futterwahl und der Lebensraum

Die Hausratte findet man beispielsweise eher in Hafengegenden, auf Dachspeichern und Heuböden. Sie bevorzugt pflanzliche Nahrung. 

Die Wanderratte verschmäht auch fleischliche Kost nicht, ist also ein Allesfresser. Sie ist an keinen bestimmten Lebensraum angepasst, man findet sie jedoch oft in Kellern, Kanalisationen, aber auch auf freiem Feld. Da bei ihr keine besondere Spezialisierung, was Lebensraum und Futter betriff, vorliegt, hat sie die Hausratte an den meisten Plätzen verdrängt. Die Hausratte steht inzwischen in Deutschland unter Artenschutz.

 

Herkunft:
Man nimmt an, dass die Hausratte ihren Ursprung in Indien hatte, sich dann über Kleinasien und Nordamerika bis hin nach Westeuropa ausgebreitet hat. Dies geschah bereits im 13. Jahrhundert. Die Wanderratte kam erst im 18. Jahrhundert aus China oder auch Sibirien nach Europa. Dabei nimmt man an, dass sie über Russland oder auch Norwegen (daher der lat. Name) nach Westeuropa eingewandert ist.

Größe: (bezieht sich auf die domestizierte Wanderratte)
Männchen werden im Durchschnitt 20 - 37 cm lang (ohne Schwanz !), die Weibchen hingegen nur bis zu ca. 27 cm (Ausnahmen bestätigen die Regel!!).
Gewicht:
Das Gewicht von ausgewachsenen Ratten liegt bei Männchen etwa zwischen 300 - 600 Gramm, bei Weibchen nur zwischen 200 - 400 Gramm (Ausnahmen bestätigen die Regel.

 

Pfote von einer Ratte

Pfoten:
Ratten haben an den Füßen fünf Zehen mit Krallen, an den Händen lediglich vier Finger, der Daumen ist zurückgebildet, ein abgeflachter Daumennagel ist jedoch meist vorhanden. Die Ratte ist in der Lage, Futter (und andere Gegenstände) in den Pfoten festzuhalten. Die Füße sind sehr gelenkig und können fast völlig nach hinten gedreht werden. Dies ermöglicht der Ratte ein Abwärts klettern an fast senkrechtem Untergrund.

 

Gebiß:
Ratten besitzen im Ober- und Unterkiefer je zwei Schneidezähne (Incisivi), danach folgt eine große Zahnlücke (Diastema) und anschließend drei Backenzähne (Molaren). Ratten sind monophydont, d. h. sie machen keinen Zahnwechsel durch und haben dementsprechend keine Milchzähne. Die Schneidezähne wachsen nach und müssen deshalb ständig an ent sprechendem Nagematerial abgeschliffen werden. Der wichtigste Kiefermuskel ist der Kaumuskel, der den Unter-

Zähne einer Ratte

 

kiefer nicht nur nach oben, sondern auch nach vorne bewegt. Dieser Bewegungsablauf ist in der Tierwelt einzigartig (vielleicht mit Ausnahme der Papageien). Bei Ratten ist der Seiten- und Innenkaumuskel so weit im vorderen Gesichtsfeld verankert, dass die Nagebewegung besonders effektiv abläuft.

 

Auge einer Ratte

Augen:
Diese sitzen seitlich am Kopf des Tieres. Die Augäpfel der Ratte sind nicht, wie bei anderen Tieren, beweglich und auch nicht zum Scharfsehen eingerichtet. Die einzelnen Augen können unabhängig voneinander sehen, ein räumliches Sehen ist dadurch kaum möglich dafür sieht die Ratten in einem größeren Radius als z. B. Tiere, deren Augen nach vorne gerichtet sind. Die beiden einzelnen Gesichtsfelder, die die Augen erzeugen, können

 

sich nicht überschneiden, so dass Entfernungen schlecht abgeschätzt werden können. Die Augenfarbe ist meist dunkelbraun, es kommen aber auch rote oder dunkelrote Augen vor. Langwelliges Licht können Ratten nicht wahrnehmen. Das Dämmerungssehen ist besonders gut entwickelt. Farbsehen ist bei Ratten wegen der in der Netzhaut fehlenden Zapfen nicht möglich. Albinotische Ratten (Ratten mit roten Augen) haben eine höhere Lichtempfindlichkeit.

 

Gehör:
Ratten sind in der Lage, Töne im Ultraschallbereich (über 20 kHz) wahrzunehmen und zu erzeugen. Für tiefe Töne unter 8 kHz ist die Ratte nicht mehr besonders empfänglich. Wer Ratten hält, sollte auf das gute Gehör seiner Lieblinge etwas Rücksicht nehmen.

Ohr einer Ratte

 

Tastsinn:
An der Schnauze der Ratte befinden sich lange Tasthaare (Vibrissen), welche besonders gut enerviert sind. Sie helfen bei der Orientierung, da das Tier damit Entfernungen (durch Berührung) abschätzen kann. Der Tastsinn ist wesentlich besser ausgeprägt als die visuellen Fähigkeiten. Durch diesen Tastsinn haben auch erblindete Ratten eine reelle Chance, ihr Leben (fast) normal fortzuführen.

 

Schnauze mit Vibrissen

Geruchssinn: Das Riechzentrum im Gehirn (Bulbus olfactorius) ist bei der Ratte besonders ausgeprägt (beim Menschen ist es dagegen relativ klein). Der Geruchssinn der Ratte ist besonders wichtig für das Erkennen von Freund und Feind, und ebenso für das Aufspüren von Nahrung. Auf dem Körper der Ratte sind großflächig Talgdrüsen angelegt, mit deren Ausscheidungen die Ratte ihr Territorium markiert. Dieses Markierungsverhalten ist wichtig

 

für den sozialen Zusammenhalt innerhalb einer Rattenpopulation und die Partnerfindung.

Geschlechtsreife:
Ratten werden meist im Alter von 50. - 72. Lebenstagen geschlechtsreif (einige Ratten auch schon eher). Im Alter von 100 bis 300 Tagen ist die Fruchtbarkeit am größten. Der Zyklus bei Weibchen dauert 4 - 5 Tage, beginnt mit der Geschlechtsreife und endet im Alter von 15 - 18 Monaten. Die Trächtigkeit dauert zwischen 20 und 23 Tagen. Wenn das Muttertier noch säugt, kann die Trächtigkeit um eine Woche oder mehr verlängert werden. Ratten werfen im Durchschnitt 8 - 12 Junge (es können aber bis zu 20 Junge sein).

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